Medellin – Pablo Escobar Vergangenheit und Moderne

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Medellin

Nach einem Zwischenstopp in Bogota traf ich am frühen Abend in Medellin, mit 2,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Kolumbiens, ein, nachdem ich am frühen Morgen Playa del Carmen nach einer harten Partynacht verlassen hatte. Mit einem Collectivo, einem sogenannten Sammeltaxi, fuhr ich vom Flughafen in die Stadt und von dort ging es dann per Taxi zu der Unterkunft. Die Unterkunft befand sich in einem eingezäunten Hochhauskomplex an der Grenze zum Stadtzentrum, der nur durch eine Security Kontrolle betreten werden konnte.

Medellin wird aufgrund seines milden Klimas die „Stadt des ewigen Frühlings genannt“. Die Stadt wurde vom kolumbianischen Bürgerkrieg und dem Drogenkrieg Pablo Escobars schwer in Mitleidenschaft gezogen. Noch Anfang der 90-er Jahre hatte Medellin mit 390 Morden pro100.000 Einwohnern die höchste Mordrate der Welt. Auf dem Höhepunkt des kolumbianischen Drogenkriegs wurden in Medellin innerhalb von drei Jahren über 600 Polizisten ermordert. Nachdem die Kolumbianische Regierung 2002 die Communa 13 von den Bürgerkriegsparteien zurückeroberte hatte und Millionen in die Stadt investierte, u.a. in die einzige Metro Kolumbiens und eine Seilbahn, die die entlegenenen Gebiete der Commana 13 zugänglich machte, verbesserte sich die Sicherheitslage allmählich. Heute ist Medellin, auch dank der Netflix Serie Narcos, eines der Hauptziele der Kolumbienreisenden.

 

Grab Pablo Escobars

Da ich für den nächsten Morgen über Airbnb eine Pablo Escobar Tour gebucht hatte und noch müde von der langen Reise und der Partynacht vom Vortag war, ging ich früh schlafen. Am nächsten Morgen wurde ich von Mauricio an meiner Unterkunft abgeholt. Nach einer kurzen Begrüßung fragte er mich, warum ich ausgerechnet im gefährlichsten Stadtteil Medellins abgestiegen bin. Er riet mir außerdem, nachts nicht nach draußen zu gehen und tagsüber aufzupassen. Er erklärte mir auch die Grundregel, um sicher durch Kolumbien zu kommen: „No dar papaya“, was soviel heißt wie „Sei kein Opfer“. Beispielhaft bedeutet es, dass man sich nicht wie ein typischer Tourist kleiden sollte oder sein Smartphone öffentlich auf der Straße zeigen sollte. Auch für kurze Strecken ist es in Kolumbien zur eigenen Sicherheit üblich ein Taxi zu nehmen.

Während der Fahrt schaute ich mir eine Netflix Dokumentation über den einst mächtigsten Drobenbaron an. Nächster Stop war seine ehemalige Villa, die im Februar diesen Jahres von der Regierung gesprengt wurde, um den Escobar Tourismus einzudämmen. Weiter ging es zur La Catedral, dem Gefägnis, dass sich Pablo Escobar selbst erbauen ließ. Pablo Escobar hatte sich in einem Deal mit der kolumbianischen Regierung bereit erklärt, in Gefangenschaft zu gehen. In La Catedral setzte er seine eigenen Leute als Wachen ein. Seine Familie, Nutten und Profifußballer besuchten ihn regelmäßig, während Regierunsbeamte, Militär und Polizisten  keinen Zutritt zu dem Gebäudekomplex hatten. Viele Kolumbianer stimmten, erschöpft vom Terror, dieser Farce als Preis für den Ende des Drogenkriegs zu. Von „La Catedral“ steuerte Escobar seine Drogengeschäfte weiter und ließt auf dem Anwesen sogar zwei seiner Vertrauten ermorden, die er verdächtigte, Drogeneinnahmen an ihm vorbeizuschmuggeln. Als Pablo Escobar eine Auslieferung an die USA drohte, floh er von dem Anwesen.

Nach einem Stop vor einem von Pablo Escobar gesponsorten Stadion ging es zum Abschluss zu dem Haus, auf dessen Dach er am 2.12.1993 von einer kolumbianisch, amerikanischen Spezialeinheit erschossen wurde, die ihn seid über einem Jahr erbarmungslos jagte.

Dach, auf dem Pablo Escobar erschossen wurde

Leider ist auch Medellin von der Flüchtlingskatastrophe aus Venezuela nicht verschont geblieben, die die Kolumbianer momentan besonders hart trifft. Bis zu 2.000.000 Menschen waren aufgrund der Unruhen in Venezuela allein nach Kolumbien geflüchtet.  Sie werden von den Kolumbianern freundlich aufgenommen, wahrscheinlich auch, weil im Verlauf des kolumbianischen Bürgerkriegs viele Kolumbianer in Venzuela eine neue Heimat gefunden hatten. Trotzdem kämpfen sie ums überleben. Sozialleistungen, wie in Deutschland, gibt es in Lateinamerika nicht. Viele Frauen sind gezwungen, sich zu prostituieren, worüber ich in meinem Blog über Cartagena noch berichten werde. Hier kam ich erstmal mit Venezuleanern in Kontakt, die bei unserer Fahrt an einer Ampel auf unser Auto zugingen um die Fensterscheiben zu waschen. Nur mit viel Mühe konnte mein Tourguide sie verjagen. Er war sichtlich genervt von den Flüchtlingen und beschwerte sich, dass die Masse eine Gefahr für den kolumbianischen Arbeitsmarkt wäre, da die Venzuleaner für einen Hungerlohn gezwungen sind zu arbeiten.

Nach der Tour besorgte ich mir eine kolumbianische Sim Card in einem nahe gelegenen Einkaufszentrum. Nach Einbruch der Dunkelheit suchte ich noch einen Schnellimbiss direkt vor dem Eingang zu dem Gebäudekomplex auf. Aufgrund der Warnung von Maurizio ging ich Abends nicht aus. Am nächsten Morgen musste ich zudem früh aufstehen, da Sarah mich bereits um 8 Uhr abholen wollte, um mich nach Guatape zu begleiten.

Sarah gehört zu den jungen und aufstrebenden Kolumbianern. Gemeinsam mit ihrem Freund betreibt sie ein kleines Start-Up, das sich auf Erlebnisreisen spezialisiert hat. Ähnlich wie Maurizio ist sie hoch gebildet, spricht fließend Englisch, ist hochmotiviert und hat das für kolumbianische Frauen typische feurige Temparament. 

Bereits um 8 Uhr morgens brechen wir nach Guatape auf. Mit dabei war ihre Schwägering, die in den Familienbetrieb mit einsteigen soll und zur Führerin von Erlebnistouring ausgebildet wird. Diese Tour kann ich jedem wärmstens empfehlen. Bei AirBnB findet ihr sie hier. Nach 2 Stunden Fahrtzeit erreichten wir El Peñol, einen 70 Millionen alten und über 200 Meter hohen Granitfelsen. Von seinem Gipfel hat man einen einzigartigen Blick über die wunderschöne Seenlandschaft Guatapes. Um ihn zu genießen, muss man allerdings eine Treppe über 700 Stufen erklimmen. Zum Vergleich: Der Weg zur Spitze des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig führt über 400 Stufen, meinem Rekord im Treppensteigen bis zu diesem Datum. Diesen Rekord werden ich auf meiner Kolumbientour noch einmal brechen. Nachdem ich die Treppen gemeinsam mit mehreren 100 weiteren Kolumbianern erklommen hatte, bot sich mir ein atemberaubender Blick, den ich  für eine halbe Stunde ganz für mich genoß. 

 

Blick von El Penol

Nach einer Stunde (für mich nach gefühlten 5 Minuten) konnte ich den Blick von der Seenlandschaft loslassen und ich stieg die Treppen hinab, wo Sarah und ihre Schwägerin auf mich warteten. In dem nahegelegenen farbenfrohen Dorf Guatape aßen wir nach einer kurzen Besichtigung zu Mittag, bevor wir uns auf den Weg zu einer Kaffeefarm machten, dem letzten Haltepunkt des Trips.

Kolumbien ist nach Brasilien und Vietnam der drittgrößte Kaffeeproduzent der Welt und sein  Kaffee ist fast überall auf der Welt beliebt. In Kolumbien selbst ist es allerdings schwer, guten Kaffeee zu genießen. Der Tinto, den man an fast jeder Staßenecke erhält, schmeckt bestenfalls nach heißem Spülwasser, da der Qualitätskaffee exportiert wird und für die eigene Bevölkerung nur die B-Ware übrig bleibt. Kein Wunder, dass die Kaffeexportnation nicht zu den großen Kaffetrinken zählt und der pro Kopf Konsum nur 1/7 des deutschen Niveaus beträgt.

Bei unserer Ankunft wurden wir von Don Pepe, dem Besitzer der Finca bergrüßt. Das Grundstück erstreckte sich über mehrere Hektar, die dicht bewachsen von Kaffeesträuchern waren. Nachdem Don Pepe uns die Grundlagen über den Kaffebau erklärt hatte, bekam ich einen Korb (ein paar weitere werde ich noch während meiner Reise von einigen Kolumbianischen Damen erhalten 😉 ) und ich begann mit der Kaffeeernte in dem dichtbewachsenen Gestrüp. Die Pflanzen wuchsen so dicht beisammen, dass ich den Boden nicht sehen konnte. Vor den Mädels  traute ich mich nicht es zuzugeben, dass ich eine panische Angst vor Schlangen habe und eher beiläufig fragte ich , ob es hier Schlangen gibt. Ich hatte vorher in einem Reiseführer gelsen, dass Erntehelferinnen öfters mal von Schlangen gebissen wurde. Er sagte nur, dass sie tagsüber nicht aktiv sind. Na toll. Zum Glück war ein junger Labrador Welpe mit von der Party. Ich dachte mir, der wird die Schlangen schon verjagen (oder von ihnen als erstes Gebissen werden). Gute Arbeiterinnen schaffen es, innerhalb von 12 Stunden 100kg guten Kaffee zu ernten. Ich schaffte in einer Stunde, trotz meiner Schlangenphobie, ein stolzes kilo. Don Pepe bot mir daraufhin direkt einen Job an und ich schlug direkt ein, da die Arbeit trotz allem einen riesen Spaß gemacht hatte. Als mir Sarah den Lohn von einer Hilfsarbeiterin nannte, fand ich schnell eine Ausrede, die neue Stelle doch nicht antreten zu müssen. Nachdem wir in der Finca den Kaffeeherstellungsprozess durchgegangen sind, bekam ich endlich die Gelegenheit, meinen ersten kolumbianischen Kaffee in diesem Land zu trinken. Nachdem ich bisher nur den Tinto heruntergewürgt hatte, fühlte ich mich jetzt wie im Paradies. Nach der harten Arbeit hatte ich ihn mir auch redlich verdient.

Obwohl mir Sarah auf der Rückfahrt einige Tips zum Partyviertel El Pueblo gab, war ich zu platt, um Abends noch groß feiern zu geben. Für den nächsten Tag hatte ich eine Tour bei Henry gebucht, die einen Stadtrundgang, eine Fahrt für mit dem berühmten Metrocable  über Medellin sowie einen Spaziergang in der Communa 13, dem ehemals gefährlichsten Ort der Welt beinhaltet.

 

Noch am Abend schrieb mir Henry, dass er die Tour nicht durchführen kann, da er im örtlichen Krankenhaus als Arzt aushelfen musste und dass seine Mitarbeiterin Valentina mich auf der Tour begleiten würde. Leider sagte sie mir die hübsche Kolumbianerin am nächsten morgen um 6:30 Uhr wegen einer Erkältung ab. Die Tour zur Communa 13 war in Gefahr. Henry konnte leider seine Schicht nicht mehr verlegen und da ich ab späten nachmittag nach Cartagena aufbrechen würde, war ich auf mich allein gestellt. Zunächst machte ich mich morgens in Richtung Zentrum uaf, genauer zur Plaza Botero, die nur einige hundert Meter entfernt waren. Bei der Plaza handelt es sich um einen 7.000 m² großen Platz mit 23 Skulpturen des berühmtesten Künstlers Latein Amerikas, Fernando Botero. Einzigartig an seinem Stil ist, dass er ausschließlich dicke Lebewesen darstellt, sowohl in seinen Skulpturen und auch auf seinen Bildern, die ich 12 Tage später in Bogota betrachten durfte. Leider war der Platz in den Morgenstunden noch voller Obdachloser. Ich fühlte mich unwohl und beobachtet. Sogleich wurde ich von einem jungen Mann in meinem Alter angesprochen. Er erzählte mir in flüssigen amerikanischem Englisch, dass er am Vortag aus den Vereinigten Staaten abgeschoben wurde. Er hatte die Nacht unter freiem Himmel verbracht und kein Geld bei sich und bat mich, ihm Geld zu leihen. Seine Frau würde mir es wiedergeben. Einerseits weil mir die Sache unheimlich war, aber auch weil ich mitleid mit ihm  hatte, gab ich ihm 20.000 kolumbianische Pesos, was 8 US$ entspricht. Ich sagte ihm, er müsse es mir nicht wiedergeben und wünschte ihm viel Glück. Nachdem ich ihm den Wechselkurs nannte, meinte er, dass ist mehr als genug und bedankte sich.

Nachdem ich die Skulpturen besichtigt hatte, machte ich mich mit der einzigen Metro Kolumbiens auf den Weg nach San Javier, besser bekannt als Communa 13. In San Javier angekommen, besteht die Möglichkeit eine Gondelfahrt über das Viertel zu machen. Der Ausblick auf die Wellblechhütten, die an den steilen Bergabhängen errichtet wurden, ist einmalig. Am Eingang der U-Bahnstation San Javier boten mehrere Guides Touren durch die Communa 13 an. Nach einigem überlegen entschied ich mich für eine spanisch sprachige Führerin.

 

Communa 13

Nach einem kurzen Fußmarch erreichten wir die berühmte Freiluftrolltreppe, die für die Bewohner der Communa errichtet worden ist, um ihnen den mühevollen Auf- und Abstieg in das Viertel wenigstens etwas zu erleichtern. Der untere Bereich der Communa ist ein Touristengebiet und daher besonders tagsüber sehr sicher. Nachts sollten sich Touristen hier allerdings nicht aufhalten und die höher gelegenen Gebiete komplett meiden. Das einst gefährlichste Gebiet der Welt ist nachts immer noch eine No-Go Zone. Tagsüber kann man dafür die vielen Grafits bewundern, von denen jedes ein einzigartiges Kunstwerk ist. Für mich war der Besuch in der Communa mein erster  in einem Slum überhaupt, der sich aufgrund der Kunstwerke und den vielen Touristen von seiner besten Seite zeigte.

Nach dem Spaziergang machte ich mich auf den Weg in die Unterkunft zum Auschecken. Ich hinterließ den Schlüssel im AirBnB am vereinbarten Platz und nahm mir für den Weg zum Sammeltaxi kein Taxi sondern ging zu Fuß. Ein Fehler. Mit meinem Wanderrucksack, der Tasche und meinem Strohhut sah ich wie ein typischer Gringo aus. Hinzu kam, dass ich mich auf dem Weg leicht verlief. In einer Nebengasse bekam mich das Gefühl , dass ich von einem Mann mittleren Alters verfolgt wurde. An einer Ampel wurde mir dann von einem zweiten Mann der Weg abgeschnitten. Sie fragten mich aus, was ich in meinem Rucksack habe und erzählten, dass sie Mitglieder der Autodefensas sind, einer kolumbianischen rechten Terrorgruppe, die als Gegenbewegung der linksgerichteten FARC und ELN gegründet wurde. Sie ist für den Tod von zehntausenden Menschen verantwortlich und wird von den USA als Terrororganisation eingestuft. Sie fragten mich, ob ich Drogen oder Waffen versteckt hätte und befahlen mir auf eine dritte Person zu warten, die entscheiden konnte, ob ich gehen durfte. Mein Spanisch verschlechterte sich innerhalb von Sekunden und ich tat so, als ob ich nichts verstehe. Da es zur Mittagszeit war, beschloss ich ihnen die Entscheidung abzunehmen und ging weiter in die Richtung, wo ich das Kaufhaus vermutete. Sie riefen mir nach: „Geh, aber denk dran, dass wir viele sind.“ Ich bog um eine Ecke, in der zu meinem großen Glück ein Security mit angeschlagenem Maschinengewehr stand. Während ich ihn nach dem Eingang zum Einkaufszentrum fragte, flüchteten die Verbrecher. Ich tat es ihnen nach, flüchtete aber in das auf der anderen Seite liegende Kaufhaus. Dort zog ich mich auf der Toilette um und machte mich auf den Weg zum Mc Donalds, wo eine Universitätsmitarbeiterin auf mich wartete, mit der ich schon am Vorabend ein Date hatte. Wir aßen gemeinsam, bevor wir uns verabschiedeten und sie mich zu den Sammeltaxis begleitete. Als das Taxi losfuhr, ging mein Puls runter und ich begann mich in Sicherheit zu fühlen. Nach 15 Minuten wurde der Wagen allerdings langsamer, bis der Fahrer aufgrund einer Panne anhalten musste. Gemeinsam mit acht weiteren Fahrgästen warteten wir auf ein Ersatz. Obwohl ich mit einem komfortablen Puffer abgefahren bin, kam in mir das ungutes Gefühl wieder auf. Als das Ersatzfahrzeug eintraf und uns zum Flughafen brachte, viel mir ein Stein vom Herzen. Ich verließ Medellin, die Stadt des ewigen Frühlings, und reiste weiter in die Karibikmetropole Cartagena. Der Vorfall in Medellin blieb während meiner Reise durch Kolumbien und Mexiko der einzige negative.

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